Einleitung
Die Dopa-Therapie wirkt symptomatisch, jedoch nicht auf die Krankheitsprogression. Lixisenatid, ein Glucagon-ähnlicher Peptid-1-Rezeptor-Agonist (GLP-1 Agonist), der zur Behandlung von Diabetes eingesetzt wird, war in einem Mausmodell der Parkinson-Krankheit neuroprotektiv. Nun wurde das Therapiepotential auf die Krankheitsprogression der Parkinson-Krankheit mit Lixisenatid untersucht.
Methode
In einer randomisiert-kontrollierten Studie wurden Patient:innen mit einer Parkinson-Krankheit (maximal drei Jahre seit der Diagnose), eine stabile dopaminerge Medikation erhielten und keine motorischen Komplikationen aufwiesen, nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Sie erhielten 10 µg Lixisenatid subcutan täglich über 14 Tage, dann 20 µg, oder Placebo über 12 Monate. Der primäre Endpunkt war die Veränderung der Ergebnisse im Movement Disorder Society – Unified Parkinson’s Disease (MDS-UPDRS; Bereich 0 – 132, wobei höhere Werte auf schwere Funktionalitätseinbuße hinweisen) zu Beginn und nach 12 Monaten. Zu den sekundären Endpunkten gehörten unter anderem MDS-UPDRS-Subscores nach 6, 12 und 14 Monaten und Levodopa-äquivalente Dosen.
Resultate
Insgesamt wurden 78 Personen in der Placebo-Gruppe und 78 Personen in der Lixisenatid-Gruppe untersucht. Das Durchschnittsalter lag bei 59 Jahren, 56% bzw. 62% waren Männer in der Lixisenatid-Gruppe bzw. Placebo-Gruppe. Die MDS-UPDRS-Scores lagen zu Studienbeginn in beiden Gruppen bei 15 Punkten. Nach 12 Monaten lag der MDS-UPDRS-Score der Lixisenatid-Gruppe um −0,04 Punkte niedriger als zu Beginn (was eine Verbesserung anzeigt), in der Placebo-Gruppe um 3,04 Punkte höher als zu Beginn (was eine Verschlechterung der Behinderung anzeigt). Der Unterschied betrug insgesamt 3,08; 95 %-Konfidenzintervall (KI) 0,86 bis 5,30; P = 0,007).
Nach 14 Monaten, nach einer zweimonatigen Auswaschphase, wurden die Scores noch einmal ermittelt. Ohne Medikation betrugen sie 17,7 (95 %-KI: 15,7 bis 19,7) in der Lixisenatid-Gruppe und 20,6 (95 %-KI: 18,5 bis 22,8) in der Placebo-Gruppe. Die sekundären Endpunkte unterschieden sich zwischen den Gruppen nicht wesentlich. Als häufigste unerwünschte Wirkung trat Übelkeit bei 46 % in der Lixisenatid-Gruppe auf, bei 13 % kam es zu Erbrechen.
Diskussion
Bei Parkinson-Erkrankten im Frühstadium führte die Lixisenatid-Therapie zu geringerem Fortschreiten der motorischen Symptomatik im Vergleich zum Placebo, aber mit erheblichen gastrointestinalen Nebenwirkungen. Längere und größere Studien sind erforderlich, um die Wirkung und Sicherheit von Lixisenatid bei Parkinson-Erkrankten zu bestimmen.
Wie D. G. Standaert im Editorial der gleichen Ausgabe des New England Journal of Medicine schreibt, ist die Erbringung eines überzeugenden Nachweises einer krankheitsmodifizierenden, neuroprotektiven Wirkung bei der Parkinson-Krankheit eine schwierige Aufgabe. In der vorliegenden Studie war der Unterschied in den Ergebnissen des MDS-UPDRS nach 12-monatiger Behandlung mit Lixisenatid zwar statistisch signifikant, aber gering. Die Bedeutung dieser Erkenntnis liegt nicht im Ausmaß der Veränderung, sondern darin, was sie klinisch bedeutet. Tatsächlich ist die Hauptsorge der meisten Patient:innen mit Parkinson-Krankheit nicht ihr aktueller Zustand, sondern die Angst vor dem Fortschreiten der Krankheit. Wenn mit Lixisenatid maximal eine Verbesserung des MDS-UPDRS-Scores um drei Punkte erreicht werden kann, ist der Wert der Behandlung begrenzt, besonders im Hinblick auf die Nebenwirkungen. Wenn der Nutzen von Lixisenatid jedoch kumulativ über einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren oder länger anhält, könnte dies eine wirklich entscheidende Behandlung für den Krankheitsverlauf sein. Daher muss in Langzeitstudien untersucht werden, ob GLP-1-Rezeptor-Agonisten dazu in der Lage sind.
Literatur
Meissner WG, Remy P, Giordana C, Maltête D, Derkinderen P, Houéto JL, et al. Trial of Lixisenatide in Early Parkinson’s Disease. N Engl J Med. 2024;390(13):1176-85.
Rezensent
Prim.Dr.Peter Dovjak, Leiter der Akutgeriatrie, Salzkammergut Klinikum Gmunden